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Rhabarbersaft als Aperitif – ohne Alkohol. . .

Wochenmärkte, Gemüseläden, Marktstände und Supermärkte, alles noch da, alles noch frisch und lecker! In diesen seltsamen Zeiten der erzwungenen Häuslichkeit gilt es nicht nur jede Menge Zeit sinnvoll zu nutzen, es gibt auch den Frühling der uns mit wundervollen, frischen Produkten überwältigt. Und dann gibt es noch den Entsafter, der lebt meist oben auf dem Schrank, tendenziell traurig über zu wenig Beschäftigung – eigentlich bemitleidenswert! In der jetzt beginnenden Rhabarberzeit allerdings sollte man ihm sein Los verbessern und die Rhabarberstangen zu Saft verarbeiten! Da lohnt es sich allerdings wenn wir beim Kauf des Entsafters nicht gespart haben: Die Stangen sind zäh und vor allem faserig, das kann das Entsaften zu einem etwas mühsamen Geschäft werden lassen. Umso schöner das Ergebnis: ergiebig, aromatisch und super sauer! Die im Rhabarber vorhandene Oxalsäure verstärkt diese Geschmackssensation noch und steigert sie durch die typische Adstringenz des Rhabarbers. Sauerklee, Spargel, diverse Kohlsorten aber auch Spinat und Mangold enthalten ebenfalls Oxalsäure. Wir haben es aber heute nur auf den rohen Saft des Rhabarbers abgesehen, wenn die Stangen schön und frisch sind reicht es sie einmal kurz abzuspülen und sie direkt im Entsafter zu verarbeiten. Etwas ältere Stangen werden abgezogen.

Den beim Entsaften entstehenden Schaum schöpfen wir ab
Die Schwebstoffe steigen oder sinken je nach Zeit und spezifischem Gewicht in der Flüssigkeit nach oben oder unten

Nachdem der Schaum abgeschöpft wurde wird der Saft abgeschmeckt: Süße muss her: Zuckersirup oder Agavendicksaft eignen sich gut, wer mit Zucker direkt süssen möchte braucht Geduld da es einige Zeit braucht bis der Zucker sich in der kühlen Flüssigkeit löst. Als Ergänzung der fruchtigen Säure gerne noch den Saft von zwei Limetten, das Ziel ist eine intensive und harmonische Aromatik für einen perfekten frühsommerlichen Aperitif.

Für die Spritzigkeit füllen wir nun den fertigen Saft (eventuell durch ein Sieb gießen) in die Syphonflasche und lassen das ganze einige Stunden, am besten über Nacht im Kühlschrank kalt werden. Kalte Flüssigkeit bindet die jetzt ins Spiel kommende Kohlensäure wesentlich besser: mit einer oder zwei CO2-Kapseln aufschäumen.

Auf Eis servieren, dabei die Syphonflasche vorsichtig handhaben – sonst geht’s womöglich daneben.

. . . der perfekte alkoholfreie Aperitif, versprochen – aaaber, da geht natürlich auch die alkoholische Variante: Mit Aperol – dessen Bitterkeit ohnehin auf Rhabarber beruht, sehr schöne Harmonie oder die Ginfrage: welcher harmoniert besonders gut? Da sind Experimente gefragt, klassisch mit Tanquerys für eine deutliche Wacholdernote, eher fruchtig ein Gin Sul, oder, oder, oder, das überlasse ich für den Moment eurer Phantasie. Viel Spaß beim experimentieren!

Chrystal Mary

Eine Neuinterpretation der Bloody Mary.
Zuletzt hatten wir den Tomatensaft gefiltert, ich hatte versprochen zwei Zubereitungen mit klarem Tomatensaft vorzustellen, die unterschiedlicher kaum sein können. Beginnen wir mit der Bloody Mary, einem der meist unterschätzten und ebenso meist unzulänglich zubereiteten Cocktails. Um in der Analogie zum Blut zu bleiben: wenn man (in einer Zentrifuge) den zellulären Bestandteil des Blutes abtrennt bleibt das Blutplasma übrig. Ähnlich ist das auch bei den von uns entsafteten Tomaten. Befreit von Faseranteilen, Kernen und Fruchtfleisch bleibt nach dem Entsaften und Filtern ein hocharomatischer, klarer und nahezu farbloser Saft übrig. Die meisten für den Geschmack verantwortlichen Stoffe sind wasserslöslich und finden sich in unserem klaren Tomatensaft wieder. Beste Voraussetzung, um einen überraschenden Cocktail der Extraklasse zu mixen. Die klassischen Bestandteile einer Bloody Mary sind, neben dem Tomatensaft, eine Spirituose, meist Vodka oder – was ich wesentlich interessanter finde – Gin. Außerdem Tabasco für die Schärfe, etwas Salz und gelegentlich etwas Kirsch- und / oder Zitronensaft, um die Süsse und Säure in Harmonie zu bringen. Um Würze und Salzigkeit zu unterstützen, kann noch Worchestershiresauce in Dashes zugefügt werden.
Die Namensherkunft der Bloody Mary ist nach meinen Erkenntnissen im Ungewissen. Einerseits könnte der Name auf Königin Maria die 1. von England verweisen, sie wurde auch Maria die Blutige genannt, belegen lässt sich das ebensowenig wie die Geschichte einer Kellnerin namens Mary, die in der Chikagoer Bar „Bucket of Blood“ (Eimer voll Blut) gearbeitet haben soll.
Für uns spielt das alles allerdings eine untergeordnete Rolle, da wir alles tun werden, um den klaren Charakter unserer neuen Chrystal Mary zu bewahren. Alle Zutaten die Farbe oder Trübung hinzufügen wie Tabasco oder Worchestershiresauce fallen daher aus.
Stattdessen arbeiten wir mit frischen, scharfen Chillischoten, etwas neutralem Zuckersirup, Zitronensaft und Salz, plus – zur Vollendung und Dekoration – einem Gurkenstick und einer Zitronenzeste.
6cl klaren Tomatensaft, 3cl Gin, 1-2cl frischen Zitronensaft, 1-2cl Zuckersirup, 1-2 dünne Scheiben Chilli und eine Prise Salz aus der Mühle: im Gästeglas auf Eis rühren, dabei besonders die Chillischotenscheiben auf dem Glasboden mehrfach drücken damit sie ihre Schärfe an unseren Drink abgeben. Mit Gurkenstick, Chillischote und Zitronenzeste servieren.

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Ein Wort noch zum Gin: Die klassische Cocktailspirituose überhaupt. In den vergangenen Jahren ist der Markt mit immer neuen, immer raffinierteren neuen Marken sehr unübersichtlich geworden. Die Aromenvielfalt und geschmackliche Raffinesse ist einerseits großartig, andererseits wird es immer schwieriger, sich für einen Gin zu entscheiden. Bei mir wohnen ein Tanqueray, ein Bombay Saphire und ein Hendricks. Bei aller Unterschiedlichkeit, die namensgebende Wacholdernote bleibt klar erkennbar, sie sind alle sehr ausgewogen und zählen zu den weltbesten ihrer Art. Meine Wahl für unsere Chrystal Mary ist der Hendricks, der mit den gemüsigen und kräuterigen Aromen besonders fein harmoniert. Experimentieren erwünscht!

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Viel Spaß beim Mixen und geniessen!
Ehre wem Ehre gebührt, ohne die gemeinsam geschlürften Cocktails, ohne die geteilten Erfahrungen und ohne den gemeinsamen Spaß am ausserordentlichen Geschmack hätte auch diese Chrystal Mary nicht das Licht der Welt erblickt, danke an Nils Böse.

Tomatensuppensaft – ganz klar!

. . . eigentlich: Tomatensaft, klar! Glasklar!
Eines der ewigen Geheimnisse des internationalen Tourismus ist: warum wird in Flugzeugen immer soviel Tomatensaft getrunken? Jeder bestellt ihn, keiner kann erklären warum. Am tollen Geschmack kann es eigentlich nicht liegen, wer einmal Tomatensaft aus der Packung mit frischen Tomaten vom Markt oder aus dem eigenen Garten verglichen hat, wird sich auf der nächsten Flugreise Wasser einschenken lassen. Seltsam schmecken alle diese industriell hergestellten Säfte, weil die Früchte voll versaftet werden, also eigentlich püriert – und weil sie wärmebehandelt werden – was ihnen einen irritierenden Kochgeschmack verleiht.
Wir vermeiden all diese Probleme und kaufen eine schöne Portion reifer Tomaten auf dem Wochenmarkt, im Moment gibt’s die Tomaten noch in Mengen, preiswert und aromatisch.

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Waschen, Strünke und Stielansatz entfernen, nicht schälen, im Entsafter entsaften, das sieht dann so aus:

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Und man sieht sofort, das Fruchtfleisch will sich von der eigentlichen Flüssigkeit trennen, schwimmt obenauf. Der intensive Geschmack, die Süße und das Aroma finden sich in der flüssigen Fraktion, der Rest sind im Wesentlichen Fasern und Kerne. Diese Eigenschaft machen wir uns zunutze und filtern mit einem Filterpapier (Faltenfilter aus dem Chemielaborbedarf).

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Als Ergebnis erhalten wir eine vollkommen klare, fast farblose Flüssigkeit, die als Grundlage für eine ganze Reihe überraschend köstlicher Zubereitungen dienen kann.

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Wir werden eine Tomatensuppe zubereiten, die neben einem umwerfenden Tomatenaroma durch verschiedene Einlagen in ganz unterschiedliche geschmackliche Richtungen geführt wird. Außerdem interpretieren wir die Bloody Mary, den Cocktrail-Klassiker der internationalen Barszene, als Chrystal Mary neu.
Bis es soweit ist können wir den klaren Tomatensaft ohne Qualitätseinbussen einige Tage im Kühlschrank aufbewahren oder für längere Zeit einfrieren.
Viel Spaß und guten Appetit.

Kaffee – Schmecken – Lernen

Kaffee ist so alltäglich, so selbstverständlich, dass wir uns über die Frage, wie wir ihn zubereiten und wie er uns schmeckt, normalerweise keine Gedanken machen. Mit meinen Freunden vom CoffeeConsulate haben wir ein schönes Experiment zu Geschmack und Zubereitung von Kaffee vorbereitet. Leicht Zuhause nachzuvollziehen und spannend zu erleben wie sich die Zubereitung auf den Geschmack von Kaffee auswirkt.
Innerhalb einer Matrix von vier mal drei Tassen werden Einflussfaktoren wie Dosierung, Temperatur und Mahlgrad untersucht, der vierte Parameter: Wasser soll uns für unser Experiment am eigenen Herd nicht interessieren. Die unterschiedlichen Wasserqualitäten haben wir nicht zur Hand.

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Für den Versuch benötigen wir den Kaffee (in frisch gerösteten Bohnen), den wir im Alltag normalerweise trinken. Eine Kaffeemühle mit einstellbarem Mahlwerk, eine Feinwaage, ein Wassertherometer, neun Tassen, Essöffel oder Cupping-Spoons zum Verkosten.
Für die ersten beiden Reihen wiegen wir je 8g pro Tasse ab. Für die dritte Reihe 6g, 8g und 10g. Nun werden die einzelnen Kaffeeportionen gemahlen: für die erste Reihe jeweils in der gewohnten Einstellung. Für die zweite Reihe in die erste Tasse gröber als gewohnt. Für die mittlere Tasse normal und für die dritte Tasse feiner. Die dritte Reihe wiederum in der normalen Einstellung mahlen.

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Zum Aufgiessen benötigen wir Wasser mit einer Temperatur von etwa 90°C. In der ersten Reihe für die erste Tasse allerdings Wasser mit nur 75°C, für die dritte Tasse kochendes Wasser. Das klingt jetzt alles furchtbar kompliziert: zeichnen wir uns unsere Matrix einmal auf: drei mal drei Tassen, in der ersten Reihe variieren wir die Temperatur, in der zweiten den Mahlgrad und in der dritten die Menge des Kaffees. Für die Verkostung nehmen wir für jeden Teilnehmer ein Blatt Papier mit der vorbereiteten Matrix und können so unsere Eindrücke leicht der jeweiligen Tasse zuordnen.

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Die Tassen werden randvoll gegossen und dürfen kurz ruhen. Das Kaffeepulver quillt jetzt auf und wird an der Oberfläche eine dichte Schicht bilden, den sogenannten „Crust“.

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Dieser wird mit einem Löffel untergerührt, die Reste des Schaumes und die verbleibenden Kaffeekrümel werden mit zwei Löffeln abgehoben.

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Die eigentliche Verkostung beginnt jetzt. Mit dem Löffel wird jeweils eine kleine Portion von der jeweiligen Tasse aufgenommen, zwischen den Zähnen einsaugen, um den Kaffee mit Luft zu vermischen – das macht ein überraschend pfeifend, saugendes Geräusch, bringt aber den eigentlichen Geschmack deutlicher hervor.
Von der mittleren – jeweils identisch zubereiteten – Tasse ausgehend, schmecken wir die Unterschiede jeweils nach rechts und links. Was verändert sich, welche Unterschiede sind wahrnehmbar? Können wir die Eindrücke von Bitterkeit, Säure, Süsse jeweils benennen und einer Unterschiedlichkeit zuordnen. Ob es uns „gut“ oder „schlecht“ schmeckt, sollte zu diesem Zeitpunkt keine Rolle spielen – nur der möglichst objektive Eindruck ist wichtig. Die Geschmackserlebnisse auf der Matrix eintragen und während die Tassen abkühlen, den Vorgang mehrfach wiederholen. Durch die sich verändernde Temperatur ergibt sich ein überraschend anderer Geschmackseindruck!
Viel Spaß beim Ausprobieren!

Die Kaffeerevolution

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Fast im Verborgenen findet im Moment eine Revolution der Kaffeekultur statt. Was wir beim Wein seit Jahren kennen und schätzen gelernt haben, kommt in kleinen Schritten nun auch in der Welt des Kaffees auf uns zu. Individueller, faszinierender Geschmack durch Ernte, Verarbeitung, Handel und Röstung von Kaffees einiger Parzellen engagierter Kaffeebauern von den besten Lagen der Welt.
Als Qualitätsbezeichnung würden wir uns schon sehr lange nicht  mehr zufrieden geben mit der Aussage: Wein aus Trauben, Europa, 2010 bis 2013. Wir erwarten – vollkommen zu Recht – Informationen auf dem Weinetikett über die Traubensorte, den Winzer, das Herkunftsland, das Erntejahr und möglichst auch präzise Details wie Einzellage, Ausbau, Fasslagerung und eine kontrollierte Herkunftsbezeichnung. Nichts von diesen Angaben ist im Kaffeehandel selbstverständlich. Die großen Industrieröstereien haben uns systematisch mit Markennamen blind, taub, und unwissend gemacht. Kaffee wird als vollkommen anonymes Produkt nach industriellen Qualitätskriterien gehandelt, die kaum sinnvolle Rückschlüsse auf die tatsächliche Herkunft und die geschmacklichen Eigenschaften zulässt.
In der vergangenen Woche hatte ich die Chance an einer Kaffeeverkostung der Sonderklasse teilzunehmen. Im CoffeeConsulate in Mannheim wurden in 40 einzelnen Proben die Kaffees der beiden indischen Plantagen Badra- und Palthop Estate verkostet.

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Wenn man von der Tatsache absieht das eine solche Anzahl von Kaffees zu verkosten – so herausragend sie auch sein mögen – an den Tatbestand der Körperverletzung grenzt (zugegeben: selbst zugefügt) bleibt der überwältigende Eindruck, nie zuvor erlebter Geschmackssensationen. Raritäten die von nahezu ausgestorbenen Restbeständen geerntet wurden, Kleinstmengen von Varietäten, die keinerlei kommerzielle Bedeutung in der Welt des Industriekaffees haben, Parzellenkaffees, die mit der größten Sorgfalt gepflegt, geerntet und verarbeitet wurden, präsentieren sich in der Tasse so individuell und geschmacklich kontrovers wie man es sich extremer kaum vorstellen kann.

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Als Kaffeeliebhaber kommen auf uns – wenn wir bereit sind uns auf das Abenteuer einzulassen – traumhafte Zeiten zu. Wir haben als Konsumenten ein Recht darauf zu erfahren, was wir trinken; wer es wann, wo und unter welchen Bedingungen erzeugt hat. Wir dürfen den Röster unseres Vertrauens fragen und je genauer er uns Rechenschaft über sein Produkt ablegen kann, desto gespannter dürfen wir auf den Geschmack in der Tasse sein.

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