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Guanciale, die wunderbare Schweinebacke

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Speck, luftgetrocknet aus der Backe des Schweines.
Wer sich nicht häufiger mit traditionellen Zubereitungen der ländlichen italienischen Küche beschäftigt, wird kaum Gelegenheit haben Guanciale kennen zu lernen. Schade, eigentlich! Da Guanciale praktisch nur für den heimischen, italienischen Markt hergestellt wird, gibt es keine schlampig, in Massen produzierten Surrogate, sondern nur geringe Mengen einer wirklichen Spezialität, die uns mit großartigen Aromen verwöhnt. Die Schweinebacke, ein ein- bis anderthalb Kilo schweres Stück wird gewürzt, gesalzen und gepfeffert und in aller Ruhe an der Luft getrocknet, selten zusätzlich noch geräuchert. Die Herstellung wurde perfektioniert in den südlichen Abruzzen an der Grenze zum Latium. Dort liegt auch die Ortschaft Amatrice, die dem berühmtesten Gericht unter Verwendung der Guanciale ihren Namen gegeben hat: den Spaghetti all´amatriciana.
Durch die spezielle Herstellungsweise ergibt sich eine ungeheure Aromenfülle: von salzig-nussig bis mild, fast fruchtig und gelegentlich, je nach Würzung, auch leicht scharf. Diese Aromen explodieren geradezu bei der Verwendung der Guanciale in diversen Pastasaucen aber auch in Verbindung mit Eintöpfen, beispielsweise mit dicken grünen Bohnen. Sie harmonisiert die Geschmacksbestandteile und fügt eine überaus leckere Sämigkeit hinzu. Die Mediterrane Küche ist vielmehr eine Aromenküche als eine Saucenküche. Ziel einer besonders gelungenen Pastasauce ist also nicht, die Nudeln in einer Sauce zu ertränken, sondern sie mit einer Hülle aus Aromen zu überziehen. Die Guanciale unterstützt uns dabei besonders angenehm, verträgt sich mit fast allen anderen Zutaten und Gewürzen. Unseren heutigen Ernährungsvorstellungen widerspricht die Verwendung von Speck natürlich völlig. Die gute Nachricht in diesem Zusammenhang ist aber: es handelt sich um ein Gewürz, kann daher sparsam verwendet werden und hält sich auch in kleinen Mengen über Tage und Wochen im Kühlschrank.

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Odenwälder Zwiebelkuchen

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Eigentlich sollte es ein Flammkuchen werden, kurzfristig haben wir uns dann aber doch für die andere Rheinseite entschieden – ein Beispiel spontaner Rezeptmutation in der Küche. Die Zutaten sind im Grunde genau dieselben wie beim Flammkuchen, allerdings werden die Zwiebeln und der Speck vorgebraten und noch in der Pfanne mit Crème fraîche vermischt.
Aber beginnen wir von vorne: Einen Hefeteig aus 500g Mehl (Typ 405) und einem Würfel frischer Hefe bereiten: zunächst einen Vorteig aus einem kleinen Teil Mehl, lauwarmen Wasser und dem zerbröselten Hefewürfel mischen, warm stellen und gehen lassen. Keinen Zucker, keinen Honig und auch sonst nichts Süsses zufügen, es ist ein Märchen die Hefe bräuchte das, um aktiviert zu werden, die Stärke im Mehl ist dafür völlig ausreichend.
Während der Vorteig langsam größer wird bereiten wir die Zutaten für den Belag vor: den Speck in Streifen schneiden und in der Pfanne mit etwas Olivenöl anbraten, währenddessen die Zwiebeln ebenfalls in Streifen schneiden und dem Speck zufügen, unter Rühren weiterbraten, nicht braun, sondern glasig und trocken werden lassen. Frischen Thymian vom Balkon holen, die Blätter abzupfen und ab in die Pfanne.
Das Mehl für den Teig mit einem halben Teelöffel Salz vermischen und in der Küchenmaschine den Vorteig mit der Mehl-Salzmischung verkneten, langsam lauwarmes Wasser zugeben bis die richtige Teigkonsistenz erreicht ist, der Teig sollte nicht mehr kleben. Ich habe dafür keine Mengenangabe, es funktioniert aber ohne Probleme auch so. Den Teig einige Minuten weiter kneten und danach warm stellen und nochmals gehen lassen.
In der Pfanne ist der Belag nun etwas abgekühlt, wir geben 200g Crème fraîche dazu und würzen reichlich mit schwarzem Pfeffer aus der Mühle und etwas Salz, je nachdem wieviel Salz der Speck schon mitgebracht hat. Hier noch ein Wort zum Speck: in Zeiten industrieller Viehzucht und Nahrungsmittelproduktion wird wird Speck meist nicht mit Sorgfalt produziert. Flüssigrauch aus der Flasche statt Räucherkammer, künstlich beschleunigte Reifung statt geduldigem Trocknen ist an der Tagesordnung. Handwerklich hergestellte Produkte sind seltener zu bekommen, die Freude dann aber umso größer. Unter anderen Vorzeichen gilt das auch für die Crème fraîche, häufig sind konsistenzbeeinflussende Zusätze enthalten (beispielsweise Carrageen, einem Kolehydrat das aus einer Algenart gewonnen wird), traditionell hergestellte Crème fraîche besteht aus, von Milchsäurebakterien gesäuerter, Sahne – und sonst nichts. Man erkennt sie an dem wesentlich feineren Geschmack, der dickflüssigen Konsistenz und einer zart gelblichen Farbe.
Mittlerweile können wir den Teig ausrollen, unsere Portion reicht für ein Backblech. Den Teig mit der Zwiebel-Speck-Sahne Mischung belegen, das Ganze ist recht flüssig, lässt sich also gut verteilen. Im Backofen bei etwa 200°C ca 15 Minuten bei Umluft backen. Backzeiten und Temperaturen sind immer nur Näherungswerte, der Teig sollte knusprig hellbraun an den Rändern sein, der Zwiebelbelag leicht gebräunt.
Für´s vollkommene Glück fehlt dann nur noch der Sommerabend, liebe Gesellschaft und ein gut gekühlter Rosé: guten Appetit!
PS.: Es handelt sich natürlich nicht um ein traditionelles odenwälder Rezept, sondern um ein kulinarisches Vergnügen das einfach im Odenwald stattgefunden hat.