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Pasta mit Pfifferlingen

Die Pilzsaison ist ja – gefühlt – hauptsächlich eine Herbstveranstaltung, dabei gibt es praktisch das ganze Jahr über frische Pilze aus dem Freiland. Selbst wenn man sich auf Pilze aus Zentraleuropa beschränkt, braucht man nicht auf den Beginn der kalten Jahreszeit zu warten. Pfifferlinge haben im Hochsommer ihren Höhepunkt, sie kommen ab jetzt wieder aus dem Bayrischen Wald, aus Österreich und Norditalien und bleiben auf den Märkten für viele Wochen frisch verfügbar. Mit der Herkunft verbindet sich der Pfifferling auch mit einigen alpinen Küchenklassikern, die österreichische Kloßküche wäre beispielsweise ohne eine sahnige Eierschwammerlsauce im Grunde nicht vorstellbar.
Für heute widmen wir uns aber einem (Sahnefreien) Klassiker der Norditalienischen Küche und kombinieren die „finferli‟ mit einer selbst produzierten Pasta. Im einzelnen dürfen das genauso gut Fettuccine wie Spaghetti sein, bei mir geht das streng nach Stimmung. Für die Pastazubereitung vertrauen wir wie immer dem puristischen Ansatz und kombinieren Hartweizengrieß und Ei, walzen das Ergebnis in Platten der richtigen Dicke und lassen diese durch das entsprechende Werkzeug laufen. In meiner aktuellen Maschine werden die Fettuccine nur in die entsprechende Breite geschnitten, die Spaghetti auch noch im selben Arbeitsgang rund geformt.

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Auf diese Weise werden die, eigentlich gewalzten, Spaghetti in die klassische runde Form gebracht. Ursprünglich ein Privileg der extrudierten, durch eine Matrize gepressten Nudel. In Italien sind die eckigen, einfach geschnittenen Spaghetti, viel geläufiger als bei uns und werden, als Zeichen einer frischen „Pasta fresca‟, als Qualitätssymbol verstanden.

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Die Spaghetti dürfen nun während der Zubereitung der Sauce etwas ruhen, dafür mischen wir die noch leicht klebrigen Nudeln mit etwas Hartweizengrieß um sie am zusammenkleben zu hindern.

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Die Pfifferlinge werden trocken geputzt, niemals waschen! Von anhaftender Erde und Resten von Moos und anderen Pflanzen befreit, der Kontakt mit Wasser würde sie sich vollsaugen lassen und damit wären sie ungeniessbar.

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Einem bekannten Schema folgend bereiten wir einen Sofritto aus Gemüsewürfeln zu, in meinem Kühlschrank wohnt meist auch ein Stück Guanciale, auch davon etwas gewürfelt in den Sofritto: Sellerie, Möhre, Zwiebel oder Frühlingszwiebel, Knoblauch und Guanciale werden gemeinsam in Olivenöl vorgedünstet, gebraten oder gebräunt werden sie nicht. Der Rosmarinzweig auf dem Foto kommt erst gegen Ende der Zubereitung ins Spiel, zuvor die Pilze zum Sofritto in die Pfanne geben.

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Dabei darf die Hitze kräftig hoch gedreht werden, die Pilze sollen einige Minuten – mehr braten als kochen – wenig Feuchtigkeit ziehen und knackig bleiben.

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Stetig in der Pfanne wenden und dabei darauf achten das kein Bestandteil anfängt dunkel zu werden oder gar anzubraten.

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Sobald der Zustand perfekt ist werden die fein geschnittenen Rosmarinnadeln untergemischt und mit schwarzem Pfeffer und Salz abgeschmeckt.

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In der Kombination aus Gemüsearomen und Pfifferlingen hat sich jetzt eine Perfekte Harmonie eingestellt, ergänzt durch Guanciale und Rosmarin hat sich eine sensationelle Aromenfülle ergeben und ist damit definitiv unwiderstehlich! Eine Sauce im mitteleuropäischen Sinne ist das nicht, soll es auch garnicht sein. Im mediterranen Sinne ist es eine Aromenkombination die den Nudeln Raffinesse, Charakter und Geschmeidigkeit verleiht. Je nach Vorliebe kann am Ende mit etwas Olivenöl und oder Butter entweder der südliche oder der nördliche Charakterzug geschmacklich noch betont werden.

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Im Topf neben den Pfifferlingen kocht schon das Salzwasser, die Nudeln genau auf den Punkt al dente kochen.

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Mit den vorbereiteten Pfifferlingen vermischen und sofort servieren. Am Tisch darf dann jeder noch nach Lust und Laune mit Parmesan über die Nudeln hobeln. Als Wein würde ich, der Herkunft dieser Zubereitung folgend, einen Weißwein aus dem Trentino empfehlen. Peter Dipoli, weinmachender Dickschädel aus Neumarkt macht, unter dem Namen Voglar, einen absolut umwerfenden Sauvignon Blanc der eine spritzige Säure mit intensiven mineralischen Tönen und wundervollen Aromen von tropischen Früchten verbindet. Wer das Glück hat diese Weine zu bekommen: zugreifen!

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Guanciale, die wunderbare Schweinebacke

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Speck, luftgetrocknet aus der Backe des Schweines.
Wer sich nicht häufiger mit traditionellen Zubereitungen der ländlichen italienischen Küche beschäftigt, wird kaum Gelegenheit haben Guanciale kennen zu lernen. Schade, eigentlich! Da Guanciale praktisch nur für den heimischen, italienischen Markt hergestellt wird, gibt es keine schlampig, in Massen produzierten Surrogate, sondern nur geringe Mengen einer wirklichen Spezialität, die uns mit großartigen Aromen verwöhnt. Die Schweinebacke, ein ein- bis anderthalb Kilo schweres Stück wird gewürzt, gesalzen und gepfeffert und in aller Ruhe an der Luft getrocknet, selten zusätzlich noch geräuchert. Die Herstellung wurde perfektioniert in den südlichen Abruzzen an der Grenze zum Latium. Dort liegt auch die Ortschaft Amatrice, die dem berühmtesten Gericht unter Verwendung der Guanciale ihren Namen gegeben hat: den Spaghetti all´amatriciana.
Durch die spezielle Herstellungsweise ergibt sich eine ungeheure Aromenfülle: von salzig-nussig bis mild, fast fruchtig und gelegentlich, je nach Würzung, auch leicht scharf. Diese Aromen explodieren geradezu bei der Verwendung der Guanciale in diversen Pastasaucen aber auch in Verbindung mit Eintöpfen, beispielsweise mit dicken grünen Bohnen. Sie harmonisiert die Geschmacksbestandteile und fügt eine überaus leckere Sämigkeit hinzu. Die Mediterrane Küche ist vielmehr eine Aromenküche als eine Saucenküche. Ziel einer besonders gelungenen Pastasauce ist also nicht, die Nudeln in einer Sauce zu ertränken, sondern sie mit einer Hülle aus Aromen zu überziehen. Die Guanciale unterstützt uns dabei besonders angenehm, verträgt sich mit fast allen anderen Zutaten und Gewürzen. Unseren heutigen Ernährungsvorstellungen widerspricht die Verwendung von Speck natürlich völlig. Die gute Nachricht in diesem Zusammenhang ist aber: es handelt sich um ein Gewürz, kann daher sparsam verwendet werden und hält sich auch in kleinen Mengen über Tage und Wochen im Kühlschrank.

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Odenwälder Zwiebelkuchen

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Eigentlich sollte es ein Flammkuchen werden, kurzfristig haben wir uns dann aber doch für die andere Rheinseite entschieden – ein Beispiel spontaner Rezeptmutation in der Küche. Die Zutaten sind im Grunde genau dieselben wie beim Flammkuchen, allerdings werden die Zwiebeln und der Speck vorgebraten und noch in der Pfanne mit Crème fraîche vermischt.
Aber beginnen wir von vorne: Einen Hefeteig aus 500g Mehl (Typ 405) und einem Würfel frischer Hefe bereiten: zunächst einen Vorteig aus einem kleinen Teil Mehl, lauwarmen Wasser und dem zerbröselten Hefewürfel mischen, warm stellen und gehen lassen. Keinen Zucker, keinen Honig und auch sonst nichts Süsses zufügen, es ist ein Märchen die Hefe bräuchte das, um aktiviert zu werden, die Stärke im Mehl ist dafür völlig ausreichend.
Während der Vorteig langsam größer wird bereiten wir die Zutaten für den Belag vor: den Speck in Streifen schneiden und in der Pfanne mit etwas Olivenöl anbraten, währenddessen die Zwiebeln ebenfalls in Streifen schneiden und dem Speck zufügen, unter Rühren weiterbraten, nicht braun, sondern glasig und trocken werden lassen. Frischen Thymian vom Balkon holen, die Blätter abzupfen und ab in die Pfanne.
Das Mehl für den Teig mit einem halben Teelöffel Salz vermischen und in der Küchenmaschine den Vorteig mit der Mehl-Salzmischung verkneten, langsam lauwarmes Wasser zugeben bis die richtige Teigkonsistenz erreicht ist, der Teig sollte nicht mehr kleben. Ich habe dafür keine Mengenangabe, es funktioniert aber ohne Probleme auch so. Den Teig einige Minuten weiter kneten und danach warm stellen und nochmals gehen lassen.
In der Pfanne ist der Belag nun etwas abgekühlt, wir geben 200g Crème fraîche dazu und würzen reichlich mit schwarzem Pfeffer aus der Mühle und etwas Salz, je nachdem wieviel Salz der Speck schon mitgebracht hat. Hier noch ein Wort zum Speck: in Zeiten industrieller Viehzucht und Nahrungsmittelproduktion wird wird Speck meist nicht mit Sorgfalt produziert. Flüssigrauch aus der Flasche statt Räucherkammer, künstlich beschleunigte Reifung statt geduldigem Trocknen ist an der Tagesordnung. Handwerklich hergestellte Produkte sind seltener zu bekommen, die Freude dann aber umso größer. Unter anderen Vorzeichen gilt das auch für die Crème fraîche, häufig sind konsistenzbeeinflussende Zusätze enthalten (beispielsweise Carrageen, einem Kolehydrat das aus einer Algenart gewonnen wird), traditionell hergestellte Crème fraîche besteht aus, von Milchsäurebakterien gesäuerter, Sahne – und sonst nichts. Man erkennt sie an dem wesentlich feineren Geschmack, der dickflüssigen Konsistenz und einer zart gelblichen Farbe.
Mittlerweile können wir den Teig ausrollen, unsere Portion reicht für ein Backblech. Den Teig mit der Zwiebel-Speck-Sahne Mischung belegen, das Ganze ist recht flüssig, lässt sich also gut verteilen. Im Backofen bei etwa 200°C ca 15 Minuten bei Umluft backen. Backzeiten und Temperaturen sind immer nur Näherungswerte, der Teig sollte knusprig hellbraun an den Rändern sein, der Zwiebelbelag leicht gebräunt.
Für´s vollkommene Glück fehlt dann nur noch der Sommerabend, liebe Gesellschaft und ein gut gekühlter Rosé: guten Appetit!
PS.: Es handelt sich natürlich nicht um ein traditionelles odenwälder Rezept, sondern um ein kulinarisches Vergnügen das einfach im Odenwald stattgefunden hat.